Teaser
- Portrait des Akkordeonspielers Teodoro Anzellotti
Synopsis
- 45 Minuten Film nur über ein Akkordeon, ist das nicht ein bisschen langweilig?
Nein, wir haben knapp 2 Wochen an diesem Film gedreht, und wir haben jeden Tag etwas neues entdeckt. Von Langweile keine Spur. Was zum einem an dem Instrument selber liegt, seinem unglaublichen Klangreichtum, seiner Aura, seinem Atem. Wir haben uns so ein Akkordeon komplett auseinander bauen lassen, welche verschachtelte komplexe Mechanik da drinnen die Töne hervorruft, die alle Leute Lügen straft, die im Akkordeon „nur“ ein Volksinstrument sehen.
Zum anderen liegt das natürlich an dem Akkordeonisten: Teodoro Anzellotti ist einfach zur Zeit weltweit der beste, virtuoseste, avancierteste Akkordeonspieler, den es gibt. Und noch immer nicht mit sich zufrieden. Er hat mit der Bandbreite seines Könnens und seines Ehrgeizes, muss man sagen, das Akkordeon aus dem Mief der Vereine und der Ecke des Tangos herausgeholt, und es zu dem gemacht, was es heute ist: ein ausgereiftes, hochflexibles und sensibles Solokonzertinstrument für vor allem zeitgenössische Musik, für das in letzter Zeit aus diesem Grund bei weitem mehr neue Literatur komponiert wurde als für jedes andere Instrument. Von daher war es längst überfällig, einen Film darüber zu machen: Über Anzellotti und über sein Akkordeon.
Und warum habt ihr den Film in Italien gedreht? Anzellotti lebt doch in der Nähe von Freiburg!
Ganz einfach, zum einen ist Anzellotti gebürtiger Italiener, kennt viele Leute dort, ist dort sozusagen unter Freunden, was dem Film eine sehr herzliche Atmosphäre gegeben hat. Es wird viel gelacht, es werden viele Scherze gemacht - und obwohl es während der Dreharbeiten fast die ganze Zeit geregnet hat, spürt man einfach dieses andere Licht, das Italien vor allen anderen Ländern auszeichnet.
Zum anderen gibt es in Italien die schönsten Theatersäle der Welt, in denen auch die Konzerte stattfinden, die wir aufgezeichnet haben. Kein Photograph, kein Filmemacher würde freiwillig auf diese herrlichen Motive verzichten, in denen auch diese Musik aufblüht in einer Leichtigkeit, die sich weit entfernt von der strohtrocknen oder besser bierernsten Haltung, mit der in Deutschland gerade Neue Musik betrieben wird. Wir haben in Macerata gedreht, einer „Zwei-Drittel-Scala“ und Panicale in der Nähe von Perugia. Dort gibt es eine Miniscala für gerade mal 100 Zuschauer. Ich habe so etwas noch nie gesehen.
Wir wollten einen Film - vielleicht ist das eine deutsche Eigenschaft - der von Anfang an bis zum Ende immer bei der Sache bleibt, der aber trotzdem einen gewissen Charme hat, so dass man immer wieder lachen kann, und sieht, dass die Leute dort auch über sich selbst lachen können. Und das, obwohl eigentlich das Thema des Films die zeitgenössische Musik für das Akkordeon ist, Piazzola, Globokar, Sciarrino, Berio und ein Satie ist auch dabei, also ernste heutige Musik, von der viele Leute behaupten, dass sie furchtbar klingt und außerdem könne man sie nicht verstehen. Man muss auch nicht alles verstehen, wenn man diese Musik hört. Das, was man verstehen muss, vermittelt der Film auf eine heitere, selbstverständliche Art und Weise. Dabei haben uns die Komponisten, die selbst zu den Dreharbeiten kamen, sehr viel geholfen, und natürlich Teodoro Anzellotti, der uns erzählt, wie er von früher Kindheit an eigentlich besessen ist von diesem Instrument. Wie gesagt, das sind auch so menschliche Konstellationen, die man nicht unbedingt planen kann, die passieren oder nicht passieren, deswegen heißt es ja: Dokumentarfilm.
Und dieses Mal hatten wir einfach Glück gehabt, sind zur rechten Zeit den richtigen Menschen begegnet. Ich habe ja schon einige Filme gedreht, gerade im Bereich der zeitgenössischen Musik. Darum weiß ich wovon ich rede, wenn ich sage, soviel Glück wie diesmal haben wir noch nie gehabt. Und am Ende wird man feststellen, diese Musik klingt ja gar nicht furchtbar, es ist etwas ganz selbstverständliches, dass man solche Sachen für dieses Instrument komponiert, und es ist etwas ganz Wunderbares, dass uns mit diesem Instrument diese Welten eröffnet werden.
Der Film heißt: Die Kunst der Verführung. Wie kam denn dieser Titel zustande?Eigentlich habe ich diese Frage schon beantwortet. Als ich Teodoro Anzellotti das erste mal begegnete, in einem Konzert in Berlin, war ich basserstaunt, wie nur ein Musiker auf der Bühne, ganz allein, diese riesigen Räume entfalten kann, die noch viel größer sind, als die Räume, die man mit den Augen sehen kann. Und das alles nur mit so einem relativ kleinen Instrument. Also eigentlich hat Teodoro Anzellotti mich verführt, hineinkriechen zu wollen in das Innerste des Instruments, dort, wo die Klänge entstehen, und in das Innere der Klänge hinein, in sie hineinlauschen zu wollen. Deswegen haben wir in diesem Film auch mit verschiedenen Räumen gespielt: größere Räume, die auf einmal auftauchen im Zusammenhang mit der Musik, die aus dem Nichts auftauchen und dann wieder verschwinden. Es geht um die Wahrnehmung anderer Zustände, wenn ich mich beim Zuhören von Musik ihr ganz hingebe. Das ist die Kunst von Teodoro Anzellotti, und das ist das Thema dieses Films. Und es ist meine Hommage an ihn, mein Hoffnung, diese Erfahrung einem größeren Publikum zu vermitteln.
Crew
- Regie: Uli Aumüller
- Kamera: Christopher Rowe, Günther Uttendorfer
- Schnitt: Bernhard Schönherr
- Komponist: Luciano Berio, Vinko Globokar, Salvatore Sciarrino
- Ton: Jan Wichers
- Produktion: inpetto filmproduktion