Teaser
- Eine Musikkammer mit Bildzuspielungen
von Uli Aumüller in Zusammenarbeit mit Sebastian Rausch und Tabea Rossol
Synopsis
- Jene intime Augenblicke - Essay
Programmheft Witten 2016
Kritik Neue Musikzeitung &/2016
Ursprünglich war die Kammer der nicht-öffentliche, der private Ort des Rückzuges hinter den repräsentativen Räumlichkeiten eines Fürsten oder Adligen, in welchem von angestellten Musikern zur Unterhaltung Musik dargeboten wurde. Das frühe Bürgertum des 18. Jahrhunderts machte daraus eine Art Forschungslabor, für die Suche nach den „wahren Empfindungen“, zur Weiterentwicklung musikalischer Strukturen, für musikästhetische und philosophische Spekulationen. Kammermusik wird seitdem nicht anonym komponiert, für ein unbekanntes und austauschbares Orchester, sondern im Mittelpunkt steht der Dialog zwischen Musikern und Komponisten – die Kammer ist also nicht so sehr der Aufführungsort, ob Konzertsaal, Salon oder Wohnzimmer, sondern viel eher der Ort der Begegnung, des Austauschs und auch der Freundschaft für den Prozess ihrer Entstehung. Der Komponist kennt die Persönlichkeit, die Fähigkeiten, die Stimme, den Tonfall desjenigen Musikers, für den er diese Musik schreibt, der Musiker weiß und will, dass für ihn etwas geschrieben wird, ihm auf den Leib, angeregt durch seine Art der Artikulation, der Sehnsucht, der Hingabe … und nicht selten gehen einer Komposition Phasen des gemeinsamen Experimentierens und Nachdenkens voraus. Kammermusik lebt von einer solchen intimen, kreativen Begegnung, trägt die Spuren des gemeinsamen Verfertigens eines musikalischen Gedankens auf der Suche nach einer eigenen, persönlichen Sprache. In manchmal nur zufälligen „intimen Augenblicken“ kommen Dinge zur Sprache, die vorher nicht gewusst oder gesagt worden sind: Dinge, die vielleicht spontan, halbfertig, ungeschützt sind und dem Gegenüber nur anvertraut werden, weil sich alle Beteiligten in ihrer Freundschaft geborgen fühlen. Zu Hause im Moment des kreativen Prozesses. Diesen „intimen Augenblicken“ versucht unsere Installation eine Referenz zu sein, für die wir das trio catch mit Gérard Pesson, das Ensemble instant donné mit Mikel Urquiza und Adriana Hölszky mit Paul Hübner in privaten Räumen über eine längere Zeit bei ihren Proben gefilmt haben. Auch die Wittener Tage für neue Kammermusik haben vor rund 80 Jahren mit Konzerten in Privaträumen begonnen. Unsere Installation ist einem privaten Hamburger Salon nachempfunden, in dem gelegentlich kammermusikalische Soireen stattfinden.
Die NMZ 6/2016 schrieb dazu:
Musik und Film, Film und Musik - ein höchst reaktionsfreudiges Gemisch, das überzeugend Gestalt gewann in der ebenfalls im Rahmenprogramm gezeigten, von so manchen Witten-Pilgerern übersehenen Installation "Musikkammer mit Bildzuspielungen". Die Location ein leer geräumtes Innenstadt-Geschäft, darin, wie die Perle im Muschel-Einheitsgrau, ein liebevoll hergerichteter Musiksalon. In Retro-Sesseln, auf dem Sofa zu einer Tasse Tee, folgte man filmisch zugespielten Ensembleproben dreier aktueller Witten-Konzerte. Für einige beglückende Minuten durfte man so dabei sein, wie Komponisten chez soi, im heimischen Interieur zusammen mit ihren Solisten, Instrumentatlisten am Stück arbeiteten. Vergangenheit und Gegenwart rückten so auf einmal ganz nah zusammen; man traf sie ja alle wieder auf den Witten-Podien: Trio Catch mit Gérard Pesson, L´Instant Donné mit Mikel Urqiza und auch den famosen Multi-Bläser Paul Hübner mit Adriana Hölszky. Aumüllers Kamera in diesen Einstellungen die Ruhe selbst. Nichts, was sich dazwischen setzen konnte, wodurch sich indes etwas anderes einstellte, was dem Konzertbesucher in der Regel vorenthalten bleibt: das allmähliche Verfertigen der Musik-Gedanken beim Proben. Aumüllers "Intimität des Augenblicks" setzte solcher Liebe zur Kunst ein ganz zauberhaftes Denkmal - an die Peripherie platziert, aber mit Wirkung ins Zentrum. Worin ganz nebenbei ein anderes Dauerthema berührt wurde, das nicht nur in und für Witten relevant ist, das Bündnis nämlich, das Komponisten mit ihren Interpreten und diese mit jenen schließen, bekanntlich der Grund, auf dem alles ruht und der übers Schicksal der Werke entscheidet - sofern die Chemie stimmt, sofern die Proben hinsichtlich der Atmosphäre freundlich, nach dem Kunsteifer betrachtet mit insistierendem Ernst verlaufen. Dann, aber auch nur dann, spürt man es auch im Konzert. Etwa den bissigen Eifer von Quatuor Diotima für Poppe´s "Buch", sein entfernt Beethoven- wie Berg-Allusionen weckendes erstes Streichquartett ...
Crew
- Regie: Uli Aumüller
- Szenenbild: Tabea Rossol