Filmdetail

Teaser
  • BERTOLT BRECHT (1898 -1956), einer der größten deutschen Dramatiker des 20. Jahrhunderts, war ein erstaunlich produktiver Stückeschreiber, Regisseur, Lyriker, Theatertheoretiker und Gesellschaftskritiker. Er schuf das epische Theater und erfand ein neues Genre: das Lehrstück, oder „learning-play“, wie er es im Englischen nannte. Auf äußerst lustvolle Weise ermöglicht es Selbstreflexion in Gruppen. Weder für die Bühne noch ein Publikum geschrieben, richtet es sich an Laien, die sich spielerisch mit alltäglicher Aggression, Gewalt und Macht auseinandersetzen wollen.

    REINER STEINWEG entwickelte auf der Basis von Brechts Texten eine einzigartige Methode für Theaterpädagogik, Sozialarbeit und Friedenserziehung. Das improvisierende Spielen mit dem stets gleichbleibenden Text von Brecht schafft immer neue Varianten und weckt die Kreativität der Spieler. Bestärkt durch Reflexionsrunden richten sie ihre Aufmerksamkeit zunehmend auf die körperlich-geistigen Haltungen in sozialen und politischen Konflikten. Wie wirkt sich die Veränderung der eigenen Haltung auf potentiell gewaltförmige Konflikte aus?

    Lehrstückspiel nach Bertolt Brecht (Methode Steinweg) ist Unterrichtsgegenstand in theaterpädagogischen Lehrgängen und wird in der Friedens- und Sozialarbeit eingesetzt.

    Dr. Reiner Steinweg (*1939) / Linz, Österreich / Spezialist in Brechts Lehrstücktheorie / Publizist / Friedensforscher / Theater- & Erzählpädagoge

    Produktion, Vertrieb und copyright: www.reinersteinweg.info/

    Der Film ist auch mit englischen Untertiteln erhältlich, unter dem Titel: "By the Raging River". Übersetzung: Leigh Hoch, Hamburg.

    Die DVD zum Film ist als Band 16 der Buchreihe, Lingener Beiträge zur Theaterpädagogik, im Schibri-Verlag erschienen. ISBN 978-3-86863-192-0.

    Die DVD enthält zusätzlich einen Vortrag von Dr. Reiner Steinweg über die Brechtsche Lehrstücktheorie.

    Die DVD ist auch erhältlich im
    Eigenvertrieb, E-Mail Kontakt: gernot.steinweg(at)web.de
    für den Bildungsbereich mit V+Ö Rechten: FILMSORTIMENT: www.filmsortiment.de


Synopsis
  • Bertolt Brecht: „Die Ausnahme und die Regel“, Szene 5 der Lehrstückfassung
    kritisch ediert von Dr. Reiner Steinweg.

    AM REISSENDEN FLUSS

    DER KULI:
    Wir sind ganz richtig gegangen, Herr. Was wir dort sehen, ist der Fluss Myr. Zu dieser Jahreszeit ist er im Allgemeinen nicht schwierig zu überschreiten, aber wenn er Hochwasser hat, reißt er sehr stark und ist lebensgefährlich. Er hat Hochwasser.
    DER KAUFMANN:
    Wir müssen hinüber.
    DER KULI:
    Man muss oft acht Tage warten, bis man ohne Gefahr hinüberkommt. Jetzt ist es lebensgefährlich.
    DER KAUFMANN:
    Das werden wir ja sehen. Wir können keinen Tag warten.
    DER KULI:
    Dann müssen wir eine Furt suchen oder einen Kahn.
    DER KAUFMANN:
    Das dauert zu lange.
    DER KULI:
    Ich kann aber sehr schlecht schwimmen.
    DER KAUFMANN:
    Das Wasser ist nicht so hoch.
    DER KULI (steckt einen Stecken hinein):
    Es ist sehr hoch.
    DER KAUFMANN:
    Wenn du erst im Wasser bist, wirst du auch schwimmen. Denn dann musst du. Siehst du, du kannst das nicht so überblicken wie ich. Warum müssen wir nach Urga? Hast du gehört, dass durch diese Gegend jetzt Straßen und sogar eine Bahn gebaut werden sollen? Stelle dir doch vor: Hier wird eine Brücke sein und hier eine breite Straße und hast du gehört, dass dort Öl gefunden wurde?
    DER LINKE CHOR:
    Wir hören, dass das Öl
    wenn es entdeckt ist, versteckt wird.
    Der das Loch zustopft, aus dem das Öl kommt
    erhält Schweigegeld. So
    Sinken die Opfer hin zu Millionen
    aber das Öl kommt nicht.
    DER KAUFMANN:
    Es wird Brot und Kleider geben und Gottweißwas. Und wer wird das machen? Wir. Von unserer Reise hängt es ab. Stelle dir vor: dass auf dich gleichsam die Augen dieses ganzen Landes gerichtet sind, auf dich, einen kleinen Mann. Und da zauderst du, deine Pflicht zu tun?
    DER KULI (hat während dieser Rede ehrfürchtig genickt):
    Ich kann nicht gut schwimmen.
    DER KAUFMANN:
    Ich wage doch auch mein Leben.
    (Der Kuli nickt ehrerbietig)

    DER KAUFMANN:
    Ich verstehe dich. Von niederen, gewinnsüchtigen Erwägungen geleitet, hast du gar kein Interesse, die Stadt Urga möglichst bald, sondern das Interesse, sie möglichst spät zu erreichen, da du ja tagweise bezahlt wirst. Die Reise interessiert dich also gar nicht wirklich, sondern nur der Lohn.
    DER KULI (steht am Fluss und zögert. Zum Chor):
    Was soll ich machen?

    (Der linke Chor singt das Lied vom Ich und Wir)
    DER LINKE CHOR:
    1
    Hier ist der Fluss.
    Ihn zu durchschwimmen, ist gefährlich
    An seinem Ufer stehen zwei Männer
    Der eine durchschwimmt ihn, der andere
    Zögert. Ist der eine mutig?
    Ist der andere feige? Jenseits des Flusses
    Hat der eine ein Geschäft.

    2
    Aus der Gefahr steigt der eine
    Aufatmend an das eroberte Ufer
    Er betritt sein Besitztum
    Er isst neues Essen.
    Aber der andere steigt aus der Gefahr
    Keuchend ins Nichts.
    Ihn empfängt, den Geschwächten
    Neue Gefahr. Sind sie beide tapfer?
    Sind sie beide weise?
    Ach! Aus dem gemeinsam besiegten Fluss
    Steigen nicht zwei Sieger.

    DER KULI (singt):
    3
    Wir und: ich und du
    Das ist nicht dasselbe.
    Wir erringen den Sieg
    Und du besiegst mich.

    DER KULI (spricht):
    Gestatte wenigstens, dass ich einen halben Tag ausruhe. Ich bin müde vom Schleppen. Ausgeruht kann ich vielleicht hinüberkommen.

    DER KAUFMANN:
    Ich weiß ein besseres Mittel. Ich werde dir den Revolver in den Rücken halten. Wetten wir, dass du hinüberkommst?
    (Er stößt ihn vor sich her. Zu sich)
    Mein Geld macht mich die Räuber fürchten und den Fluss vergessen.

    DER RECHTE CHOR:
    So überwindet der Mensch
    die Wüste und den reißenden Fluss
    und überwindet sich selbst, den Menschen
    und gewinnt das Öl, das gebraucht wird.

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